Kommunikation scheint oft missverständlich, unübersichtlich, unkalkulierbar und unbequem, doch ein geschickter Gesprächspartner setzt sich durch, weil Kommunikation funktioniert.
Intro
Das Wissen um Kommunikationsstörungen, vermag Sie vor mancher Ungereimtheit bewahren und ein sinnvolles Miteinander fördern. Drei Beispielbereiche seinen genannt, die ein menschliches Miteinander-Umgehen erheblich stören und gefährden können.
- Das dogmatische Vertreten von Positionen
- Rücknahme auf bloß funktionale Kommunikation
- Verkennen von Widerstandsgründen
Gewissheit und Wahrheit
Schon Sokrates versuchte die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Gewissheit zum Allgemeingut zu machen. Die (an sich triviale) Differenzierung weist darauf hin, dass Menschen zwar sehr vieles zu wissen meinen (sich vieler Sachverhalte sicher zu sein scheinen), dass sie aber tatsächlich so gut wie nichts exakt wissen (Dinge so zu erkennen, wie sie tatsächlich sind). Es seien „graue“ Räume, schreibt Sloterdijk.
Wahrheit sei die Eigenschaft einer Aussage, die sagt, was ist. Gewissheit (Sicherheit, Evidenz) bezeichnet psychische Zustände, in denen es einem Menschen mehr oder weniger unmöglich ist, eine konkrete Überzeugung sinnvoll zu bezweifeln, meint R.Lay.
Unter dieser Annahme vermögen Menschen lediglich subjektiv zu meinen und keinesfalls objektiv zu wissen. In der Kommunikation zwischen Menschen begegnen wir deshalb überwiegend Glaubenswissen.
Verstehen
Wie läuft in der verbalen Kommunikation Verstehen ab? Vier Bereiche zeigen sich:
- Subjektive Bedeutung (gemeinte Bedeutung des Sprechers)
- Aussagen, die ein durchschnittlicher Menschen verstehen würde, der an dem Gespräch nicht beteiligt ist (objektive Bedeutung)
- Die Bedeutung, die der Hörer wahrnimmt, wenn er das Gehörte nicht verarbeiten würde (subjektive Bedeutung).
- Die Bedeutung, die die Sätze als verstandene für den Hörer haben (Verstandene Bedeutung)
Auf allen vier Stufen können sich Störungen einschleichen, die die Bedeutung verändern. Diese Fehlerquellen (Interferenzen) muss man kennen, eventuell verringern oder zumindest mit einbeziehen. Die häufigsten Fehler bei der Übertragung des Gemeinten durch den Sprechenden sind, dass
- die Sprache unzureichend beherrscht wird und
- zwischen semantischer und emotionaler Bedeutung der Worte und Sätze nicht unterschieden wird (s.o.).
So gibt es viele Menschen, die von Freiheit sprechen, ohne auch nur entfernt sagen zu können, worüber sie reden. Unter dem Anschein, etwas Inhaltliches mitzuteilen, sprechen sie nur über ihre Begleitassoziationen, die sich beim Gefühl Freiheit einstellen (R.Lay).
Wie sähe eine Landkarte ihrer Gesprächswelt aus?
Ziel eines Gesprächs sei, am Ende zu einem gemeinsamen Verständnis zu gelangen (Aristoteles). Der geschickte gesprächspartner weiß, wie man solch eine gemeinsame Grundlage herstellen kann.
Die vier Seiten der Kommunikation
Schulz von Thun lieferte ein praktikables Modell, welche Bereiche während einer Kommunikationsaktion zwischen einem Sprecher und einem Empfänger tangiert sein können.
- Sache, Daten
- Beziehung
- Selbstdarstellung
- Appell
Dass Kommunikation komplex ist, zeigt sich an den Möglichkeiten des Modells. Beim Hörer, wie auch beim Sprecher werden diese vier Bereiche tangiert. Sie treten in unterschiedlicher Gewichtung auf. Dazu kommt, dass der Hörer und nicht der Sender die inhaltliche Bedeutung überwiegend bestimmt. Sollte Ihnen das regelmäßig geschehen, sollten Sie Ihre Sprechweise überprüfen.
Zuhören
Der gute Zuhörer erkennt die gemeinsame Grundlage des Gesprächs eher in dem, was der andere annimmt, als in dem, was er sagt. Und er entwickelt diese Annahme, indem er sie in Worte fasst, schreibt Theodore Zeldin in seinem klugen Büchlein.
- Ist es in einem Gespräch zwischen Kulturen ergiebiger, über Ähnlichkeiten zu sprechen oder Unterschiede?
Störungsquellen
In der Folge wird auf drei ausgewählte Bereiche eingegangen, die einer gelingenden Kommunikation entgegenstehen.
1. Das dogmatische Vertreten von Positionen
Gelingende Kommunikation setzt nicht voraus, dass alle einer Meinung sind. Es gibt viele Menschen, die die Meinung vertreten, dass eine Kommunikation nur geglückt sei, wenn alles harmonisch und einstimmig verläuft. Dogmatiker unterstellen eben diese Irrtums- und Täuschungsfreiheit. Er unterscheidet nicht sokratisch zwischen Gewissheit und Wahrheit. Dogmatiker sind der pathologischen Überzeugung, über wahres Wissen zu verfügen und fühlen sich so dem anderen überlegen (s.u. Arroganz).
- Welches Gegenmittel fällt für Gespräche Ihnen ein, bei denen man sich klein vorkommt?
Wahre Erkenntnis
Viele Menschen sind der Ansicht über wahre Erkenntnis im politischen und wirtschaftlichen Wissen zu verfügen, obwohl sie Ihr Wissen überwiegend aus anderen Quellen beziehen (Z.B: Presse, Bücher, Internet, Fernsehen, Menschen…). In den seltensten Fällen basiert die Erkenntnis auf der eigenenen Erfahrung. Und auch diese ist wiederrum eine subjektive Erfahrung (innere Präsentation). Ein anderer Mensch erlebt den Sachverhalt mitunter gänzlich anders.
Das gilt auch für die Wissenschaft. Viele Wissenschaftler meinen über wahre Theorien zu verfügen, obwohl es in der Geschichte noch nie vorkam, dass Theorien nicht überholt wurden.
- Gefällt es Ihnen, wenn Sie ihre Meinung im Gespräch ändern?
Führungsdogmen
Viele Führungskräfte versuchen durch verkünden von Dogmen (oft unbewusst) ihren Führungsanspruch zu sichern. Meist ist das in einer legalen Autorität begründet. Diese ist von der legitimen (=natürlichen) Autorität zu unterschieden. Beides liegt in der Persönlichkeit der Führenden begründet.
Vorurteil
Vorurteils geleitete Kommunikation ist stets kontraproduktiv und macht menschliches Miteinander-Umgehen nahezu unmöglich. Bei unterschiedlichen Meinungen müssen die Parteien wissen, dass es lediglich verschiedene Gewissheiten sind, die gegenüber stehen.
Lösungensmöglichkeiten:
- Kontrollierter Dialog
- Dialektik (Erkenntnisgewinn über Diskurs und Fahnenbildung)
- Fragen
- Systemische Betrachtungen der Prozesse
- Eigene Vorurteile bemerken: Erst ab 100 erkannten Vorurteilen können Sie sicher sein, dass Sie sich Ihrem Selbst-Real nähern, meinte Erich Fromm.
- Selbstwert steigern
- Sich über Emotionen emanzipieren durch Meditation
2. Rücknahme auf funktionale Kommunikation
Wir unterscheiden personale Kommunikation von funktionaler. Bei personaler Kommunikation stehen die Menschen im Zentrum des Interesses. Es ist eine Kommunikation mit der Person und nicht über die Person.
Bei funktionaler Kommunikation steht das kommunikative Geschehen oftmals im Dienst von kommunikationsfremden Zwecken. Der Mensch ist nur der sachbezogene Erzeuger, Empfänger oder Verarbeiter von informations-erzeugenden Signalen. Das führt zwingend früher oder später zu Beziehungsstörungen, Kontaktunsicherheiten oder funktionalen Kommunikationsstörungen ( s.o. Schulz von Thun).
Eine rein funktionale Anwendung z.B. des NLP, unfairer Techniken der Dialektik oder insistierender Fragen fällt darunter. Sie bewirken gerade das Gegenteil von dem, was die Methode zu erreichen verspricht.
- Schrumpft der Geist, wenn er nicht durch gemeinsamen Austausch genährt wird?
Ausreden
Oft rechtfertigt ein funktionaler Kommunikator sich mit folgenden Entschuldigungen:
- Er habe keine Zeit für emotionales Gequatsche
- Es fehle ihm die Geduld für personale Kommunikation
- Er selbst hat keinen Zugang zu Emotionen (oft unbewusst)
- Es geht im Business nur um materielle Betrachtungen.
Emotion
Kann ein Mensch seine Emotion nicht mehr sozial darstellen oder weiß mit fremden Emotionen nichts anzufangen, wird es pathogen. Im Endstadium, kann er diese Emotionen (außer Aggressionen) gar nicht mehr wahrnehmen. Er „fühlt sich gezwungen“ aggressiv zu kommunizieren. Personale Kommunikation setzt immer voraus, dass Sie auch etwas von sich selbst mitteilen.
Pseudopersonal ist etwa:
„Small Talk“ und andere Formen des „geselligen Lärmens“. Auch „Logorrhöe“ (Sprechdurchfall) rechne ich dazu. Diese Reden sind nur eine Art Vorbereitung eigenen Redens, schulterklopfende Freundlichkeit, um ausschließlich eigene Vorteile zu erreichen. Auch witzelndes (spöttisches) Reden, das nur an der Oberfläche eine kommunikative Begegnung zulässt, zählt dazu. Verbales Geplänkel, wie bei vielen Talkmasterkreisen üblich, ausschließliches Reframing ohne eine Selbstmitteilung, laufendes Zurückgeben mit rhetorischen Floskeln sind weitere Beispiele. Phatische Kommunikation sei nicht gemeint.
- Ist Witz den Preis wert, den seine Opfer zahlen?
Lösungsmöglichkeiten
- Emotionen wahrnehmen
- Sensitivität
- Üben des alterozentrierten Denkens
- Teilen Sie immer auch etwas mit, was Sie ergreift
- Von Herzen sprechen
- Zeit nehmen und Zeit geben
- Erst nach 3 Sekunden antworten
- Aktives Zuhören
- Backtracking (kontrollierter Dialog)
3. Verkennen von Widerstandsgründen
Kommunikation kann unmenschlich ausgehen, wenn im kommunikativen Geschehen Widerstände falsch interpretiert werden oder auch bewusst fehlgesteuert werden. Denken Sie an Gerüchte, Fake-News oder manche politischen Aussagen. Diese können in Blockaden, Mobbing oder im gesellschaftlichen Rahmen im Kriegen enden.
Kommunikative Widerstände haben meist drei Quellen:
- aktuelle, virtuelle (unbewusst) oder habituelle (bewusste) Antipathie,
- emotionale Sperren,
- sachliche Meinungsverschiedenheiten.
Antipathiewiderstände
Gemeint ist ein Widerwille, der durch die Vorstellung oder Wahrnehmung von Menschen oder deren Handlungen ausgelöst wird. Dies kann bis zum Abbruch der Kommunikation führen. Damit umgehen zu lernen, ist die Herausforderung, denn wir werden im sozialen Raum auf Menschen treffen, die wir nicht sympathisch finden.
Lösungsmöglichkeiten
Jeder Mensch muss akzeptieren, dass der andere das Recht hat, ihn antipathisch zu finden. Das schließt das Recht ein, einen anderen Menschen dauerhaft nicht leiden zu können. Von allen geliebt zu werden, ist eine infantile Vorstellung.
Menschen, die sich nicht leiden können, sollten sich darüber verständigen, wie es gelingen kann, die jeweilig andere Person nicht leiden zu lassen. Wertschätzende Kommunikationsweisen ermöglichen, trotz Antipathie eine Kommunikationsbasis herzustellen.
Lösungsmöglichkeiten
- Kurze Sätze
- Kein langatmiges Reden, auf den Punkt kommen
- Gesprächsziel formulieren
- Empathie (Mitgefühl), Rapport
- Unterlassen von Rechthaberei, verletzender Kritik, abwertendes Reden
- Keine langatmige Selbstdarstellungen
- Nicht fahrlässiges In-Frage-Stellen des Partners
- Kein arrogantes, elitäres Darstellung oder Auftreten
- Mund- und Körpergeruch vermeiden
- Natürliche Perfektion und Darstellung
Beispiele menschlichen Fehlverhaltens
Zum Abschluss seien noch drei Verhaltensweisen von Menschen angesprochen, denen Sie mit großer Wahrscheinlichkeit im Leben begegnen werden.
1. Arroganz
kann sich darstellen:
- Im Verurteilen. Der Verurteilende erhebt sich in arroganter Anmaßung über den Verurteilten.
- Im Verkünden von Dogmen wissend, dass Menschen nicht objektiv wissen, sondern nur subjektiv meinen. Verkündender unterstellt, frei von Irrtum und Täuschung zu sein.
- Etikettieren anderer. Indem der Mensch etikettiert, hält er sich für etwas Besseres. „Streber, Chaot, Neurotiker, Faulpelz….“
- Kleinmachen anderer. Es gibt Menschen, die sich nur wohl fühlen, wenn sie sich ein Stück „größer“ machen (Durch Schuldvorwürfe, Besserwisserei, ungerechtfertigte Kritik, „relativer“ Ehrgeiz, der Mensch ständig dazu treibt, immer besser zu sein).
- Unfähigkeit, Hilfe gegen sich gelten zu lassen. Viele haben ein Helferbild als Idealbild und können dennoch aus Stolz selbst keine Hilfe annehmen. Das Helfersyndrom ist oft Ausdruck latenter Arroganz: Menschen versuchen Situationen zu erzeugen, wo sie als Helfer, Richter, Retter, Pastor, Lehrer, Eltern, Berater agieren können und so den anderen zum Hilflosen, Geretteten, Missetäter, Belehrten oder ‚Schaf‘ machen.
2. Egoismus
- Ausbeuten anderer Menschen. Gemeint ist vor allem finanzielles Ausbeuten, aber auch emotionales oder soziales.
- Übervorteilen von Menschen. Eigenen Nutzen mehren und fremden Schaden billigend in Kauf nehmend oder keine verantwortete Güterabwägung.
3. Heuchelei
- Alleinig versuchen, in den Augen anderer immer besser dazustehen, als es seinem Selbst-Real entspricht
- Verbergen eigener Schwächen
- Ausschließliches Darstellen eigener Überlegenheit
- Verleugnen eigenen Versagens
Zusammenschau
Ziel der Gedanken war, Ihnen ein paar Facetten aufzuzeigen, weshalb Kommunikation ab und an nicht funktioniert. Kommunikation ist oftmals mehr ein wechselseitiges Vortragen von Selbstdarstellungen oder Überreden. Die Kenntnis von Kommunikationstechniken ist eine der unerlässlichen Voraussetzungen, eine für beide Seiten gewinnbringende Lösungen zu erreichen. deren funktionale Anwendung ist gegenläufig.
Sprechen Sie mit dem Herzen, meint David Bohm, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, den anderen Menschen zu erreichen.
Welche Alternativen gibt es zu den nichtssagenden Floskeln, mit denen normalerweise Gespräche eingeleitet werden, fragt Zeldin?