Charisma
Zauber, der mitzureissen vermag
Definition: Charisma
Charisma sei keine angeborene Gabe, die eine Person entweder besitzt oder eben nicht. Es ist kein Persönlichkeitsmerkmal, sondern eine Eigenschaft. Diese Eigenschaft wird wie der Charakter Menschen von Interaktionspartnern eher zugeschrieben.
Göttliche Gabe
Der Soziologe Max Weber ging von einer göttlichen Gabe aus, die nur Auserwählten geschenkt werde. Anfang des 20. Jahrhunderts formulierte er eine spezielle Theorie der Herrschaftsausübung: Den charismatischen Führungsstil. Dieser beruhe in erster Linie auf den persönlichen Qualitäten des Führers, auf dessen Magnetismus – seinem Charisma (Wirtschaft und Gesellsachaft, 2. Halbband V. §1ff S.832ff).
Anziehungskraft
Der US-Psychooge Ronald Riggio meint, Charisma sei die Eigenschaft, große Anziehungskraft bei Menschen hervorzurufen. Das gründet vor allem auf emotionaler Intelligenz, also der Fähigkeit, Gefühle bei anderen sicher wahrzunehmen und der Überzeugung, die Menschen beeinflussen zu können. Charismatische Menschen sind positiv gestimmt, eloquent, treten sicher auf, wirken stimmig und sprechen das Gefühl an (Riggio: Transformational Leadership: A Comprehensive Review of Theory and Research).
Erfolgreich sein
Legt man Bilder zweier Personen nebeneinander, können Menschen ziemlich sicher sagen, welcher der beiden im Leben erfolgreicher ist: Es sind jene Personen, die über mehr Charisma verfügen. Was aber die besondere Ausstrahlung ausmache und wie sie die Mitmenschen verzauberten, ist weitaus schwieriger zu sagen. Forscher diskutieren darüber schon seit Jahrzehnten.
- Stimmt es, dass man gar nicht genug von dieser besonderen Ausstrahlung (Charisma) haben kann, die so beliebt und erfolgreich macht?
Neue Untersuchungen zeigen etwas Erstaunliches. Zu viel Charisma scheint zu schaden – vor allem im Bereich eines Unternehmens, wenn diese charismatischen Menschen andere führen sollen.
Persönlichkeitsmerkmal „Charisma“
Der Begriff „Charisma“ ist vielschichtig. Die Lexika tun sich mit einer einheitlichen Beschreibung schwer. Menschen fesseln charismatische Personen. Sie saugen jedes Wort aus ihrem Mund gierig auf und fühlen sich hinterher beeindruckt – oder besser: angeregt.
„Charisma ist im Menschen wie das Brennen beim Feuer,
das Leuchten bei der Kerze,
das Funkeln bei kostbaren Steinen, Gold und Silber.
Es ist etwas Geistiges.“
(Li Liweng)
Und ich erinnere den brennenden Dornbusch, der brennt ohne zu verbrennen (Exodus 2,23 bis 4,18. bzw. Sure 20). Manche charismatische Menschen fühlen sich ins Göttliche enthoben „verbrannten“.
Charismatiker geborene Führungspersönlichkeit?
Die Führungsrolle eines charismatischen Menschen beschreibt auch die Managementtheorie. Diese subsumiert den Begriff heute gewöhnlich unter „Transformationale Führung“. Da sich Menschen mit einer charismatischen Führungs-„persönlichkeit“ identifizieren, entsteht Vertrauen innerhalb der Gruppe. Das unterstützt eine positive Gruppenstimmung. Die Leistung der Gruppe steigt und mit ihr auch die Zufriedenheit der einzelnen Gruppenmitglieder. So ist zumindest die Annahme.
- Sind Charismatiker folglich die geborenen Führungspersönlichkeiten?
Wirksamkeit
Der Arbeitspsychologe Bart Wille hat zusammen mit Kollegen untersucht, wie effektiv charismatische Führungskräfte in Organisationen sind. Und er forschte, ob sie trotz oder gerade wegen ihrer Ausstrahlung und zwischenmenschlichen Fähigkeiten womöglich als Führungskraft scheitern könnten. In ihrer Studie im „Journal of Personality und Social Psychology“ fanden die Forscher heraus, dass sowohl Chefs mit besonders viel Charisma als auch jene mit besonders wenig nicht sehr effektiv arbeiten. Zwar glaubten die charismatischen Vorgesetzten selbst, dass sie effektiv arbeiten würden. Tatsächlich hatten sie aber ein Problem: Während sie sich auf originelle Ideen konzentrierten, blieben alltägliche Routineaufgaben liegen.
Verlust der Bodenhaftung
Manchmal verlieren charismatischen Führungskräfte die Bodenhaftung. Das ließ sich gut belegen, weil die Wissenschaftler nicht nur die Chefs selbst befragten, sondern ihre Leistung auch von den Angestellten der Firmen einschätzen ließen. „Führungskräfte mit viel Charisma haben große strategische Ambitionen, was aber zulasten der alltäglichen Aufgaben gehe„, sagt Wille. Anders gesagt: Wenn Chefs zwar grandiose Visionen haben, aber die Bodenhaftung verlieren, verpufft ihr Tatendrang (s.o.). Das führt dazu, dass sie als weniger produktiv wahrgenommen werden.
Charisma-Level
Bei den Vorgesetzten mit wenig Charisma war es umgekehrt: Sie erledigten zwar alles, was getan werden musste, dafür fehlten ihnen die Visionen und eine langfristige Strategie. Es gibt also einen optimalen Charisma-Level für Chefs: Am effektivsten sind sie, wenn sie einen mittleren Charisma-Level haben. Wann genau dieser Punkt erreicht ist, mag auch vom Kontext abhängen: Kennedy, der als Präsident wohl genau die richtige Dosis Charisma hatte, wäre als Manager womöglich gescheitert.
Gruppenkonformität
Der hohe Grad an Identifikation, welchen eine charismatische Führungsperson in einer Gruppe erwirkt, kann in eine schädliche Konformität umschlagen. Konformität kennzeichnet das Phänomen, dass wir unsere Individualität in großen Bereichen des Verhaltens, unserer Urteile und der Einstellungen (sozial) anpassen. Gruppenkonformität ist eine Kreativitätsblockade. Die Betroffenen Mitglieder passen aus Sorge davor, von der Gruppe nicht akzeptiert oder „gemocht“ zu werden, ihr gesamtes Verhalten, alle Aktionen und alle Ideen an der Gruppe an. Was in der Gruppe passend ist, gibt der Charismatiker vor.
Motivation
Vorgesetzte, die ihre Mitarbeiter unterstützten und klar sagten, was sie von ihnen erwarteten, konnten diese besser motivieren – sogar besser als Chefs, die eine große Vision entwarfen. „Man muss nicht Steve Jobs sein, um eine gute Führungskraft zu werden“, sagt Brent Scott.
Charisma und Narzissmus
Charisma ist zwar ein weitestgehend positiv behafteter Begriff, Wirtschaftspsychologen sehen die Eigenschaft aber in vielen Fällen nah am „ungesunden“ Narzissmus. Tatsächlich werden narzisstische Persönlichkeiten von ihrem Umfeld häufig als äußerst charismatisch wahrgenommen. Dies liegt unter anderem an ihrem (scheinbar) gesteigerten Selbstbewusstsein. Bei der Beförderung eines Mitarbeiters in eine Führungsposition, sollten Unternehmen deshalb bei charismatischen Persönlichkeiten genauer hinsehen:
Narzissten wirken auf ihr Umfeld charismatisch. Nicht alle Charismatiker sind aber zwingend narzisstisch veranlagt.
Charisma kann ein Indiz für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung sein – muss es aber nicht. Ein zweiter Blick auf eine besonders charismatisch wirkende Person kann aber gewiss nicht schaden! Charismatische Menschen gelangen vor allem dann an die Macht, wenn die Zeiten unsicher sind: „Der Ruf nach einer starken Hand“.
Realitätsverzerrung
Charismatische Menschen können nicht nur ihre eigenen Gefühle gut steuern, sondern auch die ihrer Mitmenschen. Sie bewegen andere dazu, in ihrem Sinne zu handeln. Betrachten Sie zum Beispiel Musk und andere Unternehmenslenker, die Investoren dazu bringen, in ein Zukunftsbild zu investieren, obwohl dies normalerweise im Hinblick auf das finanzielle Risiko nicht geschehen würde.
Ist Charisma zu lernen?
Eine Richtung der Psychologie geht von der Annahme aus, dass ein Mensch grundsätzlich Fähigkeiten lernen kann, die ein anderer Mensch beherrscht. Der Psychologe Frederick Heide beschäftigt sich mit dem Phänomen auf nonverbaler Ebene. Für ihn sind Menschen charismatisch, die ihren Gesichtsausdruck, ihre Körpersprache und Stimme auf spontane und interessante Art nutzen können.
„Das gelte etwa auch für eine interessante Stimme. Einerseits – „Wie sehr wir es auch versuchen, wir können nicht alle klingen wie Martin Luther King .“ Anderseits habe jeder Einfluss auf sein nonverbales Verhalten und seine Art zu sprechen. Man könne durchaus etwas dazulernen, sagt Heide.
Die sieben Säulen des Charisma
Charisma ist deshalb ein so schwer zu fassender Begriff (s.o.), da er auf vielen verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen aufbaut und erst durch deren stimmiges Zusammenspiel zu einem großen Ganzen – dem „gewissen Etwas“ – wird. Über die Art und Anzahl dieser Merkmale herrscht Uneinigkeit. Wer sich jedoch intensiver mit dem Thema Charisma beschäftigt, wird immer wieder auf die folgenden Bereiche stoßen:
- Selbstliebe
- Zufriedenheit
- Selbstbewusstsein
- Zielstrebigkeit
- Energie
- Extrovertiertheit
- Kommunikation
Ohne zu üben, werden Sie die Qualitäten nicht erreichen. Sie sollten auch ihre persönlichen Eigenheiten kennen und berücksichtigen. Deshalb ist es vorteilhaft, das Training an ihre personalen Möglichkeiten anpassen. Es geht nicht darum, die Kopie von einem Anderen zu werden. Ein erfahrener Coach wird das berücksichtigen und sich von trivialen Erfolgsweisheiten distanzieren.
Charismatiker gegen Charisma „immun“?
Kurz gesagt: Charismatiker wecken starke positive Gefühle in anderen Menschen. Je instabiler ein Mensch emotional und in seiner Persönlichkeit ist, umso anfälliger ist er für den Einfluss von Charisma. Diese Menschen sind grundsätzlich für Manipulationen empfänglicher (siehe dort). Umsomehr sich ein Mensch nach jemandem sehnt, der ihn „an die Hand nimmt“, desto eher wird sich dieser einen Charismatiker als Führungsperson suchen, sei es im Berufs- oder im Privatleben. Geht das Charisma mit einer Persönlichkeitsstörung einher, kann das durchaus gefährlich werden: bei Sekten, manchen Unternehmen, die auf ein Glaubensbekenntnis (Creed) setzen oder Demagogen.
Es überrascht, dass Charismatiker selbst scheinbar gegen Charisma „immun“ sind. Als Resultat ihrer Selbstliebe und ihrer grundsätzlichen Lebenszufriedenheit, lassen sie sich in der Regel wenig von außen beeinflussen. Sie neigen daher auch eher selten zur Konformität. Ob das für Führungskräfte und in der Teamführung noch zeitgemäß ist, bedarf weiterer Erörterungen.
- Kann ein Charismatiker einen Dialog führen?
- Kann er Führung abgeben, um die Selbstverantwortung bei geführten Menschen zu stärken?
- Ist ein Charismatiker überhaupt teamfähig?
- Fördert ein Charismatiker autotelische Phänomene im Unternehmen?
Charisma entfalten, in 5 Schritten
Wolfgang Schneider entwickelte einen Prozess in fünf Schritten, um Charisma zu entwickeln. Die Übung bewährt sich für jeden Menschen, der an seiner Persönlichkeit arbeiten will. Es geht um Selbstwert und Selbst-Bewusstheit. Viele Bereiche der fünf Schritte trainieren die Facetten einer stimmigen und selbstbewussten Persönlichkeit.
- Konzeption: Charakter aufbauen und ausrichten
- Kreation: Sichtbarmachen, Form geben
- Kommunikation; Facetten erlebbar machen, kommunizieren
- Handeln, Beweisen; Sich selbst leben
- Wirken, Tun
Geben Sie sich die notwendige Zeit. Charisma zu entwickeln, ist ein Lebenswerk. Ein Sprichwort sagt, „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“. Doch der Spruch deutet auch an, dass es möglich ist mit Ausdauer und Übung die Meisterschaft zu erreichen.
Viele Weseneigenheiten eines Charismatikers können Menschen helfen, Selbstwert und Persönlichkeit zu entwickeln, um ein Damit Leben gelingt zu leben.