Resilienz

von | Mai 3, 2021 | Führung, Persönlichkeit

Die Welt erscheint unkalkulierbar und von unvorhersehbaren Phänomenen bestimmt. Individuen, Gesellschaften und Institutionen werden durchgewürfelt. Sicherheiten scheinen höchst fluid.

Ist Resilienz die Kraft, wie wir Krisen bewältigen?

Widersprüchlichkeit

Die Umwelt kommt vielen Menschen unsicher, gewalttätig und gefährlich vor. Dises Phänomen mag unter anderem mit der menschlichen Kognition, den sozialen Netzen, den Vernetzungen, gesundheitlichen Herausforderungen und auch der Nachrichtenberichterstattung zusammen hängen. Überwiegend werden negative Einzelerlebnisse berichtet, durch alle sozialen und öffentlichen Medien gespült, und überfluten den Menschen. 

Der menschlichen Verstand kann die Daten- und Informationsflut nicht oder kaum erfassen. All diese Teile wirken verunsichernd auf das subjektive Sicherheitsempfinden.

  • Welches Methodenreservoir steht Ihnen zur Verfügung, diesen Widersprüchlichkeiten zu begegnen?
  • Wie erreichen Sie Gegenwartsgelassenheit?

Sicherheit ein dynamischer Prozess

  • Was geschähe, wenn das laufende Streben der Menschen nach Vorhersehbarkeit ein Teil des Problems wäre?

Sicherheit zielt eher weniger auf Veränderung. Sie manifestieren eher einen Zustand. Sie ist mit den Worten Riemanns eher auf Dauer angelegt. Stehen Menschen die Einwirkungen körperlich nicht mehr durch, „fliehen“ sie oftmals in eine körperliche, pathologische oder psychische Auszeit.

  • Ist Widerstandsfähigkeit (Resilienz) ein geeignetes Mittel, sich diesem speziellen Anforderungen und Druck zu begegnen?
  • Wie könnte eine Landkarte aussehen, die Menschen in diesen Veränderungen Orientierung geben kann?

Resilienz

Das englische Wörterbuch „dict.com“ übersetzt „resilent“ mit:

  • belastbar
  • robust
  • stabil
  • elastisch
  • nachgiebig
  • strapazierbar
  • widerstandsfähig
  • federnd
  • spannkräftig

Diese Wörter beschreiben viele Bedeutungen, die mit Resilienz gemeint sind und beschreiben zugleich Widersprüchlichkeit des Begriffs Resilienz. Manche Autoren ergänzen: Achtsamkeit und Mitgefühl.

Resilienz, Zustand oder Prozess?

Je nachdem wie man Resilienz betrachtet, blickt man auf unterschiedliche Phänomene. Resilienz sei die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung von psychischer Gesundheit nach Stresserfahrungen, schreibt Raffael Kalisch.

Resilienz, eine Unsicherheitskompetenz?

Bedeutet Resilienz, konstruktiv mit Wandel umzugehen?

Reslilienz bedeutet konstruktiv mit Unsicherheiten, Krisen oder Frustrationen umgehen zu können und sich an neue veränderte Bedingungen anzupassen. zwei Bereiche spielen dynamisch zusammen:

  1. Flexibilität (Offenheit, Kreativität)
  2. Stabilität (Mit-sich- sein, Sicherheit, Vertrauen)

Ohne festen Stand verliert Beweglichkeit schnell die Richtung und wird vom Strom der Zeit mitgerissen. Das weise Zusammenspiel von Stabilität und Beweglichkeit, von Expansion und Kontrolle, schafft systemische Resilienz.

Wege zur Resilienz

Seit 1960 beschäftigen sich Psychologen mit der psychischen Widerstandskraft und suchen nach Wegen, den Menschen einen methodischen und brauchbaren Handwerkskoffer an die Hand zu geben. Methode und Technik können helfen einen den Menschen einen Weg zu öffnen; doch der Meister weiß, wann die Methode in den Hintergrund rückt, um dem Lauf zu folgen.

Die Technik darf nie Herr der „resilienten“ Praxis werden. Techniken sind überwiegend Gewinnstrategien, und diese müssen sich der jeweiligen Situation beugen. Ein Methodenapriori ist für ein Resilienztraining nichtg geeignet.

Salutogenese

Was „fehlende Widerstandskraft“ im Business bewirken kann, interessierte Antonowsky in den 1980igern:

  • Warum werden manche Menschen unter Druck im Arbeitsumfeld krank und andere nicht?

Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit führen nach Antonowsky zu einem Kohärenzsinn. Dieses Kohärenzgefühl wirkt auf die Gesundheit. Dabei umfasst Kohärenz sowohl ein Gefühl als auch damit verknüpfte gedankliche (kognitive) Abläufe. Möglich wird das, wenn wir annehmen, dass Körper und Geist eine Einheit bilden.

Fragen an sich selbst:
  • Empfinde ich meine Welt als verständlich, stimmig, geordnet?
  • Kann ich die Probleme und Belastungen des Alltags in einem größeren Zusammenhang begreifen und verstehen?
  • Habe ich das Gefühl, die im Leben gestellten Aufgaben lösen zu können?
  • Bin ich überzeugt, das Leben und die mich betreffenden Probleme handhaben zu können?
  • Ist mir bewusst, dass es einen Sinn und einen Grund gibt, mich auf den Weg in eine bestimmte Richtung zu machen?
  • Was ergäbe sich, wenn Sie in ihr  Tun nach dem Koheränzsinn (Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit ihres Tuns) ausrichten?

Resilienz, wie ein Dopingmittel?

Bekannt ist, dass manche Menschen nicht nur im Sport, sondern auch im Studium und im Beruf stimulierende Substanzen nutzen, um ihre kognitiven Leistungen, Widerstandskräfte und Frustrationstoleranz zu steigern (Neuro-Enhancement). Systemische Resilienz scheint den Vorteil zu haben, nicht die negativen somatischen Nebenwirkungen der stimulierenden Medikamente und Substanzen zu haben. Aus diesem Blickwinkel scheint ein Training der Widerstandsfähigkeit nicht schädlich.

Übungen, die die methodische Ebene verlassen, vermögen erst die Innergie (= psychische innere Energie) eines Menschen zu zünden. Erich Fromm ist überzeugt, dass Menschen grundsätzlich über eine psychische Energie verfügen und diese nutzen können, sofern das Ego stark ist. Resilienz zu entwickeln, ist folglich immer auch Persönlichkeitsentwicklung. Das Selbst meint das integrierte Individuum, das seine bewussten und unbewussten Inhalte  optimal zur Deckung gebracht hat.

Achtsamkeit

Achtsamkeitsübungen streben ein nicht beurteilendes, undistanziertes Gewahrwerden sämtlicher Vorgänge im Körper und Geist an. Man will gewohnte und konditionierte Denk- und Handlungsmuster durchbrechen, schreibt Dieter Vaitl. Achtsamkeitsmanagement erlebt derzeit ebenfalls einen Hype. Achtsamkeit beschreibt das Bedürfnis, sich selbst im Verhältnis zu etwas zu betrachten.

Bei Achtsamkeit ist zwischen Nah- und Fernzielen zu unterscheiden. Während Nahziele mit regelmäßiger Übung bald zu erreichen sind, erfordern Fernziele oft jahrelanges Mühen.

Nahziele seinen nach R.Lay:

  • positive Lebenseinstellung,
  • Ausgeglichenheit,
  • zunehmende Konzentrationsfähigkeit,
  • Beherrschung negativer Emotionen,
  • soziale Aktivität,
  • Wichtiges von Unwichtigem zu trennen,
  • größere Wachheit,
  • Empathie,
  • Sehen und Hören lernen.

Einige Fernziele sind:

  • Selbsterkenntnis, Selbstfindung, Selbstverwirklichung,
  • Integration von Intellektualität,
  • Strebevermögen und Emotionalität von Persönlichkeit und Triebstruktur, von Arbveit und Lebenm von Individualität und Sozialität.

Spiritualität

Derzeit eifern viele Menschen überwiegend fernöstlichen Übungsmethoden der Achtsamkeit nach.

  • Weshalb besinnen sich Menschen in Europa nicht ihrer abendländischen spirituellen Wurzeln?

Viele westliche Mystiker und Mystikerinnen zeigten zahlreiche Übungsmöglichkeiten auf. Zentral seien hier Meister Eckhardt, Tauler, Franziskus, Benedikt von Nursia, und spanische Mystiker wie Ignatius, Johannes von Kreuz, Theresa von Avila genannt.

In der Achtsamkeits-Haltung erproben Menschen neuronale Plastizität. Widerstandskraft ist nicht nur, gegen etwas zu bestehen, sondern auch zu lernen, etwas anzunehmen, transformieren und aushalten zu können.

Antifragilität

Resilienz ist im Business angekommen. Etwa 3,7 Millionen Aufrufe zeigten sich heute im Netz bei der Suche nach dem Begriff. Spannend und bereichernd erscheint mir Nassim N. Talebs Fagestellungen:

  • Ersticken Resilienz und Robustheit der Menschen nicht jede Innovation oder Agilität im Kern?
  • Ist ein in Resilienz geübter Mensch heutigen Anforderungen gewachsen, wenn er mit Unordnung,  Störungen, Komplexität, unsichtbaren Mustern  konfrontiert wird?

Nach N.N.Taleb profitiert Antifraglität von Unordnung und Unbeständigkeit. Ich kenne viele Menschen, die, wenn Sie mit komplexen Sachverhalten konfrontiert werden, versagen. Sie greifen zu simplifizierenden Verfahren oder versuchen die Unsicherheit in Ordnungen zu zwingen.

Talebs Verständnis

„Simplifizierende Resilienz erstickt Wachstums- und Evolutionsprozesse. Resilienz oder robust, ist resilent oder robust“ schreibt N.Taleb in Antifragilität. Taleb stellt ein Dreierschema vor: Fragil – Resilienz oder Robustheit – Antifragil. Das Fragile ist auf Störungsfreiheit angewiesen, für das Resiliente spielt Störungsfreiheit wie Unordnung keine Rolle und das Antifragile wächst an der Komplexität und Unsicherheit (Taleb a.a.O.).

Nehmen Sie als Beispiel einen Irrtum. Im fraglilen und resilenten Bereich sind diese selten. Ereignen sie sich, sind sie gravierend und irreversibel. Unter Antifragilität schätzt man Störungen als Entwicklungspotenzial.

Ein Beispiel aus dem organisationalen Bereich: Die hierarchische, „Boss-orientierte“ Struktur (fragil) steht dem Modell des organisationalem Spielens (Silke Seemann) in heterogenen und sich selbstorganisierenden Teams (antifragil) gegenüber. Seemann hat das  bildhaft beschrieben.

Resilienz, ein Hype

Gerade im derzeitigen „Resilienz-Hype“, scheint mir Talebs Trilogie:

  1. fragil,
  2. resilient/robust,
  3. antifragil,

die Gespräche über die Resilienz zu bereichern:

  • Brauchen wir Resilienztraining oder ist im wirtschaftlichen Spielfeld nicht eine erweiternde antifragile Sicht nützlicher und wirksamer?
  • Wie sähe ein reslientes Agieren aus, das situativ antifragil sich verhalten kann?
  • Ist Resilienz eine Zukunftskraft?

Resilientes Verhalten ist zu lernen

Die Ärzte empfehlen, den Lebensstil zu achten und Verhaltensmuster zu lernen, die auch psychische Stabilität verleihen (Karl Lieb, LIR für Resilienzforschung).

Ein unterstützendes Netzwerk, können Freunde, Familie, Kollegen, ein Team und Bekannte sein.

  • Was sind Ihre persönlichen Strategien, wenn wieder einmal „Land-unter-ist“?
  • Wie distanzieren Sie sich von negativen Bewertungen?
  • Was hilft Ihnen zu einer positiven Grundstimmung (Optimismus)
  • Welchen Rat gäben Sie einem Freund, der resilienter, antifraglier werden will?

Zusammenblick

„Wollen Sie mit der Verhaltensweise vieler Menschen und Unternehmen brechen: „Lieber bekanntes Leid als unbekanntes Glück.“ (Corssen)?

Systemische Resilienz ist unabhängig von zeitlichen Modeerscheinungen. Im Coaching, der Therapie und im Unternehmensalltag ist Widerstandsfähigkeit seit Jahrzehnten ein Thema. Heute erleben wir wieder eine Zeit tiefgehender Verwerfungen in der Welt. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Brüche öffnen neue Welten. Dies als Chance und Möglichkeit zu entdecken, fordert den ganzen Menschen. Konstruktive Resilienz nimmt die Flexibilität und Stabilität auf, um in bewegten Welten aktiv mitzuspielen. 

Das bedeutet Antifragilität. 

Suchen Sie einen Lehrmeister  mit Fachkompetenz und Lebenswissen, der Sie begleitet. Dieser Meister sollte im tiefen  Wasser schwimmen können.

Sollten diese wenigen Zeilen und verschiedenen Aspekte Sie angestoßen haben, ist das Ziel der verschiedenen Gedanken erreicht.

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